Ich bin eine Frau und mag das Wort Feminismus nicht.
- Karin Döring
- 7. Juni
- 2 Min. Lesezeit
Ein persönlicher Versuch, Widersprüche auszuhalten.
Ich habe lange überlegt, ob ich das schreiben darf. Ob es okay ist, als Frau zu sagen: Ich mag das Wort Feminismus nicht.
Denn es ist ein Wort, das für so vieles steht. Für Kämpfe. Für Rechte. Für Sichtbarkeit. Und ich bin dankbar für all das, was unter diesem Begriff für Frauen erkämpft wurde und wird. Aber wenn ich ihn höre, zieht sich in mir etwas zusammen.
Es ist nicht die Idee, die mich triggert. Es ist der Ton. Die Härte. Die Erwartung, sich einordnen zu müssen. Als wäre es ein Etikett, das man tragen oder ablehnen muss: Ganz oder gar nicht.
Aber ich bin kein ganz oder gar nicht. Ich bin deutlich und klar. Ich bin weich und konsequent. Ich bin verletzlich und stark. Und das alles gleichzeitig.
Ich bin keine Feministin. Und vielleicht genau deshalb eine.
Ich habe mich nie als Feministin bezeichnet.
Nicht, weil ich nicht für Gleichberechtigung wäre, sondern weil ich nicht in diese Haltung gepasst habe, wie sie oft dargestellt wird.
Laut. Fordernd. Konfrontativ.
Alles Dinge, die ich bewundere. Aber nicht verkörpere.
Ich hinterfrage. Ich beobachte. Ich ziehe mich zurück, wenn es zu laut wird, nicht aus Schwäche, sondern weil ich dort besser denken kann. Und doch ertappe ich mich immer wieder dabei, wie ich die gleichen Fragen stelle: Warum wird weibliche Stärke so oft kleingeredet, belächelt oder übersehen? Warum müssen wir laut sein, um ernst genommen zu werden?
Ich habe ein anderes Wort gesucht
Ein Wort, das nicht schreit. Das nicht spaltet.
Ein Wort, das fühlt, statt zu kämpfen.
Und ich habe es gefunden: Sichtkraft.
Sichtkraft heißt für mich: da sein, ohne zu dominieren.
Klar sein, ohne sich rechtfertigen zu müssen.
Sichtbar sein, ohne sich zu verbiegen.
Es ist kein Ersatz für Feminismus. Aber es ist mein Wort. Eines, das Raum lässt. Für Widerspruch. Für Zartheit. Für Wucht in leisen Tönen.
Ich glaube an Wirkung – nicht an Etiketten
Wenn ich Frauen sehe, sehe ich keine Zielgruppe. Ich sehe Leben. Tiefe. Fragen.
Und ich sehe, wie oft Geschichten nicht erzählt werden. Nicht, weil sie nicht wichtig wären, sondern weil sie nicht in die gängigen Formate passen.
Ich habe keine Lösung. Kein Manifest im klassischen Sinne. Aber ich habe eine Haltung. Und die zieht sich durch alles, was ich tue. Ob ich schreibe. Oder male. Oder einfach nur zuhöre.
Vielleicht bin ich keine Feministin im klassischen Sinn. Aber wenn Feminismus bedeutet, Frauen in ihrer Tiefe sichtbar zu machen, dann bin ich wohl doch eine.
Auch wenn ich es nie so nennen würde.
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